Twist in my sobriety
Meine
Oma ist gerade gestorben. Also, ich glaube sie ist schon ein paar
Tage Tod.
Ich hatte keinen Kontakt mehr zu ihr. 100 Jahre alt ist
sie geworden.
100 und einen Monat.
Geboren wurde sie in
Madrid.
Und dann als dort der Spanische Bürgerkrieg ausbrach,
wurde sie von ihren deutschen Eltern, zuerst zurück ins Allgäu und
dann ins karge Mittelfranken abgeschoben.
Das fleissige und sehr junge Mädchen wurde nach ihrer Zwangsarbeit auf Haus und Hof der Familie, dazu auserkoren, den fettleibigen und vor allem im Kern schon mit seinem Schicksal hadernden Gutsbesitzer, zu heiraten.
Er hätte sich auch was schöneres Vorstellen können, denn eigentlich ein Dr. der Chemie und noch eigentlicher auch nicht für den Hof oder gar die Brauerei gemacht.
Mein
Opa hat sein Schicksal dann aber doch angenommen und das Beste, was
ich zumindest über ihn weiß ist, daß er kein Nazi war. Es gibt
eine hinter vorgehaltener Hand erzählte Geschichte über eine Tante
die in denunziert hat und woraufhin er dann doch irgendwohin an die
Front musste und dann da sofort in amerikanische Gefangenschaft kam,
aber dann war der Krieg auch schon vorbei.
Die Tante, also
eigentlich die Schwägerin, wurde vom Hof gejagt, denn der Bruder,
ist nicht zurück gekommen. Aus dem Krieg.
So,
musste also der Hof und das Bier weiterhin in Schuss gehalten werden
und da hat die alte Mutter, des Großvaters ihm also meine Oma ans
Herz gelegt.
Bzw. alles so demnach eingefädelt, das auch niemand
was hat sagen können oder sich hat trauen.
Das
junge Mädchen die nun nach ihrem Zwangsdienst auf dem Hof nun
gleitend hinüber wechselte. In den Zwangsdienst am Ehemann. Der hat
ihr zum Geschenk dann auch gleich 5 Kinder in den Schoss gedrückt.
Die alle in einer sagenhaften Lieblosigkeit herangezogen wurden. Wie
man es sich schrecklicher nicht ausmalen mag.
Nachdem die Kinder aus dem Haus, oder tot waren wurde der Großvater krank und hat sich bei einem Spaziergang nach langem Siechtum dann anständigerweise selbst das Leben genommen.
Meine Oma hatte keine Liebe für uns. Sehr nutzlos und sinnfrei bewertete sie unsere Existenz. Meine Mutter konnte sie schon überhaupt nicht leiden und der Vorwurf,
das meine Mutter sich mit ihrer reichen Kinderschar auch nur einen Platz in das
gemachte Nest sichern wollte, war kein Geheimnis.
Das Wichtigste war ja das man fleißig ist und keinen Dreck macht und keinen Lärm
und unsere gesamte Existenz war für unsere Großmutter eine einzige Zumutung. An den wenigen Gelegenheiten an denen wir bei ihr sein durften oder besser gesagt sollten
war meine Oma eher fassungslos. Nahezu angeekelt von unserer kindlichen Dummheit
und das man uns zu nichts brauchen konnte.
Ich habe nur eine Erinnerung an sie, in der sie mir für einen kurzen Moment
ihre Aufmerksamkeit geschenkt hat. An einen kleinen Moment an dem sie mir zugehört hat. In ihrer Wohnung lief das Radio – Tanita Tikaram – Twist in my sobreity. Ich liebte dieses Lied und hatte mir aus irgendwelchen Informationen folgende
Geschichte zusammengedichtet. Tanita Tikaram wollte nie ein Star werden, aber gemeine Plattenverkäufer haben sie
gezwungen, als sie ihre schöne Stimme hörten und jetzt vermarkteten sie, sie
quasi gegen ihren Willen. Kein Wort ist wahr von dem. Aber ich erzählte es trotzdem meiner Oma. Sie war ganz angetan. Ich glaube sogar das Lied hat ihr gefallen. Und meine Großmutter beugte sich zu mir hinunter und sagte:
Ja, das ist schlimm! Wenn man zu etwas gezwungen wird.
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