Rothsee Thriatlon
Nach
einer Stunde hatte ich endlich die Zufahrt zum Kanal entdeckt.
Googlemaps ist bei vielen Dingen, wenn man es braucht nicht so
geeignet, weil 3G geschuldet die Informationen wo ich mich befinde
und wo ich wann links oder rechts abbiegen hätte müssen bisweilen
um mehrere hundert Meter auseinander liegen. Da ist also nun der
Sportplatz, ich aber auf der falschen Seite, da geht’s jetzt nicht
weiter, also wieder zurück, doch den anderen Weg nehmen, gut dann
versuch ich es mal hier über die Streuobstwiese und jetzt nehm ich
den Bahnübergang über den Frankenschnellweg in der Hoffnung auf der
anderen Seite an den Kanal zu kommen.
Gleich mehrere Male hab ich
mir überlegt mich einfach wieder auf den Rückweg zu machen.
Konnte
ja niemand ahnen, dass es so schwer wird allein den Weg raus aus der
Stadt zu finden.
Aber ich bin nicht umgekehrt und nun befand sich
der Kanal zu meiner rechten Seite, mein Navi hat das nicht
verstanden, aber ich wusste, von nun an nur noch geradeaus.
Der
Anblick auf das Wasser im Kanal erinnerte mich an die Oberfläche
meines Bauches, den ich mir heute Morgen auf dem Bett liegend noch
ausgiebig angeschaut habe. Coronawampe. Ein gängiger Begriff in
diesen Zeiten. Das Wasser lag zu Teilen ganz flach, ohne erkennbares
System in Streifen und Wellen und dann wieder fast schon furchig. Wie
mein Bauch. Es ist kein gängiges Muster, bei dem man sagen könnte,
einfach fett, sondern es gibt Dellen und Wellen und Streifen. Auch
ohne bestimmte Regelmäßigkeit.
Schön ist das nicht. Wäre
schöner, wenn es eine ordentliche Kugel wäre, so wie in meinen
Schwangerschaften. Keine Schwangerschaftsstreifen, eine kompakte
Form. Ein glatter Luftballon. Und der Nabel der Schnerpfel mit dem
man den Ballon verschließt.
Ein Schnerpfel! Ist das ein
Fachbegriff?
Ich war immer sehr stolz auf meinen Bauch. Neulich
beim Aufräumen habe ich ein Bild von mir entdeckt. Ich stehe an der
Wand und hebe mein Hemd und zeige meinen Bauch. Damals mit 18.
Meine
Güte. Unglaublich fest und leichte Andeutungen auf meine
Bauchmuskeln sind zu erkennen.
Ich kann es manchmal garnicht
fassen wie gut ich ausgesehen habe. Als junger Mensch.
Ich war
noch nie sonderlich eitel oder hab irgendwas großartiges dafür
getan, wie ich aussehe.
Wenn ich mich schminke, dann schminke ich
mich immer gleich. Und wenn es um meinen Körper geht, dann ärgert
mich vor allem die Tatsache, dass ich jetzt so fett geworden bin, das
mir meine Hosen nicht mehr passen.
Ich bin tapfer, langsam tut mir
der Arsch weh. Es ist ja eigentlich nicht sonderlich anstrengend hier
entlangzufahren. Keine Steigungen, vorhin war mal etwas
Gegenwind.
Ich werde mich mit meinem Neffen treffen. Der ist
letztes Jahr mit dem Fahrrad um die Welt gefahren und kommt heute aus
München hergeradelt. Der braucht vermutlich genauso lang von da, wie
ich von Nürnberg nach Pyras.
Ich blicke wieder auf das unruhige
Wasser. Mein Bauch beschäftigt mich immer noch. Auf dem Kanal fährt
kein einziges Schiff. Auf der ganzen Strecke sehe ich einmal einen
Mann in einem kleinen Motorboot. Klar die Flusskreuzfahrten sind alle
abgesagt, aber werden denn überhaupt keine sonstigen Waren per
Schiff transportiert. Es ist doch schließlich Wochentag.
Heute
Morgen auf dem Bett liegend hab ich mich gefragt: Wird mich
irgendwann nochmal jemand schön finden? Und dann aber mir diese
Frage gleich wieder verbeten.
Ist doch in Wirklichkeit sodass wenn
jemand deinen delligen Bauch nicht ertragen kann, er vermutlich
sowieso nicht die richtige Person ist, mit der man intim werden
sollte. Ich hatte zumindest noch nie Sex mit jemanden, nur weil ich
ihn so schön fand. Ich finde immer alle schön mit denen ich im Bett
bin. Ist sicher was Hormonelles. Deswegen kann ich doch davon
ausgehen, dass es anders rum genauso ist. Das mein gegenüber mich
schön findet, egal ob mit Dellen und Wellen und Furchen und
Wölbungen.
Kilometer 20, die Hälfte geschafft. Ich werde mich
auf jeden Fall verspäten. Ich mach den Weg ja, damit ich es mal
gemacht habe. Mein Fahrrad ist auch in keinem guten Zustand. Ich habe
nur noch zwei Gänge, bei allen anderen dreht das Radlager durch und
ich trete quasi ins Leere. Ich kann wählen zwischen 4 und 5
Gang.
Bodypositivity, liebe Dich selbst, raus aus toxischen
Beziehungen, sich selber mal in den Arsch treten, sich auch mal Ruhe
gönnen. Die Krise als Chance begreifen. Ich radel gerade in den Ort
in dem ich aufgewachsen bin. Aus dem Ort an den ich hingezogen bin.
Das kann auch nicht jeder. Ich mache das, um wieder ein Stück weiter
wegzukommen, von dem was ich alles nicht bin.
Auf etwas zufahren,
um Abstand zu bekommen.
Ich bin jetzt am Rothsee. Auch ein Ort der
sich jetzt mal ordentlich anstrengen muss, um wieder eine positive
Assoziation in mir auszulösen. Das Wasser vom Rothsee ist jetzt
erstmal vergiftet. Der Rothsee ist für immer an diesen Typen
gebunden, der mich schon irgendwie gut fand. Aber eben nicht gut
genug. Und da springen dann ja förmlich alle Register bei mir
an.
Wenn eine Beziehung auf so einem ambivalenten Level ist, dann
leg ich mich aber so richtig ins Zeug.
Soweit, bis nichts mehr
übrig bleibt von mir.
Vielleicht bin ich jetzt deswegen auch so
fett geworden. Weil es völlig egal ist. Weil Dich eh nie mehr
irgendjemand lieben wird. Es liebt dich niemand 5kg mehr oder
weniger.
Vor ein paar Wochen hat mein Vater mit mir Schluss
gemacht. Also, wenn es um Boys break up with you- Geschichten geht,
dann habe ich jetzt die Goldkart zugeteilt bekommen.
Die Beziehung
Tochter/Vater hat ja auch immer einen Stellenwert in deinen späteren
Liebesgeschichten.
Mein Vater also, hat nun beschlossen, dass er
keine Kinder mehr hat. Er findet er hat sich jetzt lange genug um uns
bemüht und nachdem er zu den anderen dreien nun schon länger keinen
Kontakt mehr hat, beendet er das jetzt mit mir mal auch noch. Also,
ist schon auch meine Schuld.
Ich finde bei Dir nicht statt. Steht
da in dem Brief.
In unserer Familie gab es die dicke Tante
Luise, die ihrem Vater in einem Streit anscheinend mal vorgeworfen
hat, das er Schuld ist, das sie so dick ist. Ergibt das jetzt ein
Muster?
Ich bin jetzt in Hilpoltstein. Ich geh noch kurz zur
Bank. Geld abheben. Ich frage mich jetzt wie ich weiter fahre. Wie
komme ich am besten von hier aus nach Pyras. Soll ich über
Marquardsholz, über den hohen Berg, oder aussen rum, wo die Autos
fahren. Ein bisschen Berg hab ich auf jeden Fall.
Aber dann
verpasse ich den schönen Weg durch den Wald.
Ich steh da und
schau. Und dann ruf ich meine Mutter an. Sie soll mich fahren. Ich
schaff das heute einfach nicht mehr.
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