Amaretto mit Sahne
„Letz fetz sprach der
Frosch und sprang in den Ventilator“
Der Aufkleber klebte bei
meinem Vater in der Küche an den Fliesen.
Der aufgegeilte Frosch
saß vor dem Ventilator und gierte erwartungsvoll nach seinem letzten
Kick.
Wir saßen in der Küche, die kaum genutzt wurde, denn wir
wohnten hier schon länger nicht mehr.
Und mein Vater ernährte
sich ungesund und fraß mehr als häufig Magentabletten.
Ohne die
ging nichts.
Ich betrachtete den Frosch und hörte, wie mein Vater
die Tabletten aus der Verpackung drückte.
Gleich eine handvoll
hinein in die Goschen. Und dann mussten die zerbissen werden, nicht
einfach so hinunterschlucken. Da wirken sie nicht. Informierte er
mich, während sich kalkiger Schleim in seinen Mundwinkeln
ansammelte.
Mein Vater aß unregelmäßig und wenn dann immer zu
viel, da musste vorgebeugt werden.
Denn es ging jetzt gleich zum
Italiener.
Zu viert saßen wir in die Eckbank der Küche gedrückt
und warteten auf unsere Abfahrt.
Hier gab es keine Spielsachen.
Nichts erinnerte mehr daran, dass wir mal hier gelebt hatten.
Die
Wohnung wäre auch so viel zu klein für uns gewesen.
Zwei Zimmer,
Küche, Bad. Das Bad war dunkelgrün gefliest.
Aber es gab zwei
Toiletten, auf die eine durfte nur unser Vater. Das war seine.
Der
911 Porsche, den er fuhr, hatte die gleiche Farbe, wie die Fließen
im Badezimmer.
Früher badeten wir 4 Kinder zu viert dort in der
Wanne.
Wir waren also Enge gewohnt, aber diese Enge, die uns
gleich bevor stand, war schon nochmal etwas anderes.
Wir fuhren
mit dem Porsche zu Italiener. Der Italiener war 8 Kilometer von
unserem Dorf entfernt.
Man konnte aber auch abkürzen uns ein
ganzes Stück auf einem Feldweg fahren. Dann ging es schneller. Es
bestand die Hoffnung, dass wir nicht die Abkürzung nehmen, denn
hinten eingequetscht über die buckelige Straße, da wussten wir
alle, dass das sicher nicht lustig werden würde.
Unsere große
Schwester durfte vorne sitzen. Wir anderen drei zwängten uns hinter
den vorgeklappten Beifahrer Sitz und einer hatte im wahrsten Sinne
des Wortes die Arschkarte gezogen, denn eine weite Besonderheit des
911er Porsche war und ist, dass er ja nicht wirklich für
Mitfahrerinnen über 1. Person gemacht ist.
So besteht der sehr
beengte Rückraum aus keiner durchgehenden Sitzfläche, sondern aus
zwei einzelnen Mikrositzen, zusätzlich noch durch eine Erhöhung in
der Mitte abgetrennt.
Diese Erhöhung war aus mit Leder
überzogenen Hartplastik und schon vor dem Einsteigen entbrannte
unter uns, ein heftiger Streit, wer denn nun in der Mitte sitzen
müsse. Ohne Anschnallgurt, logisch
Wir drängelten wie wild und
schubsten und zerrten aneinander. Mein Bruder schaffte es als Erstes
sich an den Platz hinter dem Fahrer zu schieben. Jetzt drehte sich
das Spiel um.
Diejenige, die jetzt als Zweites in der Reihe war,
befand sich automatisch in der unbeliebten Mitte und deswegen
erfolgte das zerren und ziehen in die andere Richtung.
Ich verlor,
meine Schwester duckte sich geschickt unter mir weg und schob mich
dann mit voller Wucht in das Fahrzeug. Ich versuchte mich noch in den
Sitz zu stemmen, aber da sprach unser Vater ein Machtwort, wir
sollten jetzt gefälligst einsteigen und mit dem Theater
aufhören.
Wie ein Huhn auf der Stange saß ich inzwischen also in
der Mitte und obwohl ich nicht besonders groß war, schuberte mein
Kopf an der Deckenverkleidung des Wagesn und lud sich unangenehm
elektrisch auf.
Die Fahrt ging los. Die Fliehkraft in den Kurven
schleuderte mich unsanft immer wieder auf de Schösse meiner
Geschwister, was diese auch nicht unkommentiert ließen und mich
jedes Mal wieder zurückboxten.
10 Minuten können so sehr lange werden. Nachdem sich aber nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten wurde, ging es vermutlich etwas schneller.
Wir quetschten wir uns aus dem Fahrzeug und es dauerte eine Weile bis ich wieder etwas in meinen Beinen spürte.
Dafür konnten wir uns
jetzt beim Italiener bestellen was wir wollten.
Pizza, Pasta oder
in der richtigen Jahreszeit – Koze!
Miesmuscheln fand ich
einfach den absoluten Wahnsinn. Vermutlich weil es dann nicht so
auffiel dass ich eigentlich kaum was gegessen habe. Die Muscheln
kamen in einer dampfenden Schüssel mit leckerer Tomatensoße.
Meine
Geschwister rümpften die Nase, aber von der Köchin – Mama Persico
– wurde ich bewundert. Dass ich mir, für ein Kind so
ungewöhnliches Essen bestellte. Da gab es dann natürlich auch kein
zurück mehr. Den Menschen, der es schafft einer Italienischen Mama
die halb leer gegessene Mahlzeit zurück gehen zu lassen, der muss
erst noch geboren werden.
Wir saßen am hinteren
Tisch des Lokals. Die Kinder saßen extra. Die Erwachsenen hatten was
zu besprechen. Der schöne Wirt, in den wir alle ziemlich verliebt
waren, machte Geschäfte mit unserem Vater. Schnell hat er es raus
aus dem Kaff geschafft, zuerst Nürnberg und dann Mallorca.
Einen
Promiladen mit bekannten Gästen. Boris Becker soll gern gesehener
Gast gewesen sein.
Für uns gab es erstmal
nichts zu tun. Die Speisekarte anschauen und den Vater um Kleingeld
für die Jukebox bitten.
Ein Song für 50 Pfennig. Viele Lieder
kannten wir natürlich nicht. Es gab vorrangig Italienische Schlager.
Aber auch die Erste Allgemeine Verunsicherung.
Ba-Ba-Banküberfall
und die B-Seite – Es gwinnt a jeder.
Jede von uns bekam 50
Pfennig. Was bedeutete
Vier Mal Banküberfall.
Dann kam auch schon das Essen. Und der schöne Wirt Pino fütterte die Jukebox und drückte unterschiedlichste Kombinationen. Konnte er ja machen, schließlich hatte er den Schlüssel für das Geldfach. So stellte er auf jeden Fall sicher dass wir heute sicher ken einziges Mal mehr Banküberfall hören konnten.
Ich konnte also ungestört an meinen Muscheln mümmeln und dann gab es natürlich noch Nachtisch.
Tiramisu mochten wir aber
alle nicht. Der Kaffeelikör war nichts für unsere
Geschmacksknospen.
Dafür gab es Amaretto. Warm mit Sahne.
Ich schätze mal wir waren
zwischen acht und zehn Jahre alt.
Es gab auch die extra schönen
Likörschalen und der Amaretto wurde dann kurz in der Mikrowelle
erwärmt und dann mit einer großen Haube Sprühsahne garniert.
Es
war wie Weihnachten.
Aber beim Amarettoschlabbern natürlich
erstmal die Zunge verbrannt. Die Sahne hat das Ganze ja ertsmal gut
abgedeckt aber darunter war die alkoholhalte Zuckerflüssigkeit,
kochend heiß.
Ungeduldig aber weiter getrunken. Die richtige
Trinkteperatur durfte nicht versäumt werden.
Zu kalt schmeckte es nicht mehr.An guten Abenden, bekamen wir manchmal sogar zwei dieser köstlichen Mahlzeitabschliesser.
„Letzt fetz „ sagte mein Vater und wir machten uns auf den Nachhauseweg.
Ich für meine Verhältnisse so voll gefressen, mir war ganz egal wo ich sass. Der Amaretto tat vermutlich sein restliches, dass ich entspannt und ohne zu streiten den Platz in der Mitte auf der Rückbank einnahm.
Nach der Ortsausfahrt
stieg mein Vater aufs Gas. Maximale Beschleunigung.
Und dann ab
in die Kurve.
Die Mischung auf Zucker und Säure machte in meinem Magen, bei der langen Linkskurve kurz vor der kommenden Ortschaft auf einmal eine Veränderung durch und bei abbremsen am Ortsschild, landete alles was sich in meinem Magen befand, im vorderen Teil des Wagens.
Danach sind wir nicht mehr zusammen dort hingefahren.
Mein Vater hat kurz darauf den Porsche verkauft um sich einen BMW mit Flügletüren zu kaufen.
Da hatten dann wirklich nur noch 2 Personen Platz.
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