Der Fächer mit den Pandabären
Jeden Morgen wenn ich die Wohnung
verlasse entdecke ich unten auf der Ablage bei den Briefkästen neue
Figürchen oder andere Haushaltsgegenstände.
Oft sind es
kitschige aber nicht besonders hochwertige Porzelanfiguren. Manchmal
ein Gewürzglasrondell, gestern stand ein Kochbuch zur Anleitung für
fettreduzierte Ernährung dort.
All diese Gegenstände sind sehr bunt
zusammengewürfetlt. So war neulich auch mal ein aufwendig bestickter
Fächer in einer mit Stoff bezogen Schachtel dort zu finden. Auf dem
Fächer zwei Pandabären die unter einem blühenden Kirschbaum
spielen. Die Kiste mit goldenen und roten Stoff besponnen. Auf den
ersten Blick, insgesamt ein hübsches Ding, aber trotzdem konnte die
Verpackung und Gestaltung dieses Fächers, dennoch nicht die
mangelnde Wertigkeit der Sache verbergen.
Es wirkte bei genaueren
hinschauen eher wie ein Gegenstand aus einem günstigen Souvenirladen
oder gar einem AsiaShop aus der Innenstadt, bei dem neben der
Tütensuppe und den Gewürzsossen, das ein oder andere Handwerkszeug
verscherbelt wird.
So wie all die Dinge die dort stehen keinen kostspieligen, aber im ganzen doch vielleicht ideellen Wert darstellen.
Hinunterstellen tut sie unser Nachbar.
Da bin ich mir sehr sicher. Ich habe ihn zwar noch nie direkt dabei
erwischt. Aber da wir ansonsten ein sehr junges Haus haben, bin ich
mir sicher, daß die Gegenstände aus seiner Wohnung stammen.
Herr Schwandt wohnt im Stock über uns. Er ist über 80 Jahre alt und ist
derjenige der schon immer hier gewohnt hat. Unzählige WGs und junge
Menschen hat er schon ein und ausziehen erlebt.
Die früher noch
regelmäßigen Hoffeste hat er immer wohlwollend vom Balkon aus mit
erlebt, konnte sich aber, trotz mehrmaligen einladen, nie dazu
aufraffen zu uns hinunter zu kommen.
Zusammen mit seiner Frau standen sie
dann also manchmal für längere Zeit am Balkon und schauten sich an,
was da so alles los war in unserem Hof.
Noch nie gab es auch nur eine
Beschwerde wenn eine Feier länger dauerte, oder gar das aufräumen
am nächsten Tag allen beteiligten sehr schwer fiel und es sich bis
in die kommende Woche hineinzog, das alles wieder an Ort und Stelle
war.
Mit der Zeit und mit den Jahren, lies
aber auch die Anteilnahme vom Balkon aus immer stärker nach.
Seiner
Frau ging es nicht mehr so gut. Sie wurde dement und ihr gemeinsames
Konstrukt fing an zu bröckeln. Wir im Haus hatten schon einiges an
Erfahrung mit dementen Bewohnerinnen.
In der Wohnung nebenan
wohnte eine italienische Nona, die trotz hochgradiger Demenz noch bis
ins hohe Alter in Schlappen auf ihrer Vespa zum einkaufen gefahren
ist. Manchmal hat sie sich verfahren und dann gab es wieder große
Sorge und die Kinder haben sie, mit uns zusammen gesucht.
Irgendwann
wurde den Kindern klar, daß sie ihre Mutter nicht mehr in unserer
Verantwortung lassen können. Und sie ist, vermutlich zum sterben
nach Italien gebracht worden.
Frau Schwandt, die freundliche Nachbarin,
ereilte kein so schönes Schicksal. Ihr Mann versuchte es eine
zeitlang damit, sie einzusperren. Aber nachdem sie auch in der
Wohnung dann Dinge nicht mehr so hinterlassen hat, wie er es gewohnt
war und man sich nicht mehr darauf verlassen konnte, dass sie das
Essen richtig kocht und überhaupt die Dinge tut, wozu man doch so
eine Frau hat, hat Herr Schwandt sie ins Altenheim gebracht. Ich
verwende seine Worte.
Ich weiß nicht wieviel Liebe da jemals im
Spiel war. Und auffällig fand ich es schon immer, daß wir noch nie
eines der 3. Kinder bei uns im Haus angetroffen haben. Dieses alte Pärchen, deren Leben
nach Erzählungen von Frau Schwandt nur aus Arbeit bestand. Ich kann
nicht beurteilen, ob sie glücklich waren oder nicht. Und noch
weniger kann ich die Dinge beurteilen die Herr Schwandt nun langsam aus
der Wohnung räumt.
Für ihn anscheinend wertlose Dinge, die
seiner Frau gehören.
Sie wird nicht wieder zurück kommen und er
hat keine Verwendung dafür. Aber direkt in die Mülltonne werfen
möchte er sie auch nicht. Dafür hängt vielleicht der Geist seiner
Frau zu sehr an diesen Dingen.
So machen sie vielleicht nochmal
eine Zwischenstation. In einer der WG's. Oder so wie bei uns. Der
kleine Fächer mit den spielenden Pandabären.
Würde Herr Schwandt anstatt ihn zu
verschenken, ihn seiner Frau ins Altenheim mitbringen, würde sie sich
vielleicht an die Reise nach China erinnern, die sie vermutlich nie
gemacht haben.
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