Der Gebärdensprachendolmetscher
Die Luft in den Kabinen aus denen
normalerweise aufs Spielfeld hinaus liefen, war zum
schneiden.
Sicherlich wird es heute noch regnen.
Auch nachdem
sie die engen Gänge verlassen hatten und die Tribüne betretten
hatten, veränderte das wenig an der vorhandenen Luftqualität.
Das Stadion war auf den letzten Platz
gefüllt. Es war laut. Thami hatte sein Hemd und das Sako bereits
durchgeschwitzt und die Veranstaltung hatte noch nicht mal
begonnen.
Vier Stunden lang wird alleine der offizielle Teil der
Veranstaltung dauern.
Mittlerweile ist etwas Wind aufgezogen.
Auf den Rängen sitzen tausende Menschen und singen und
tanzen.
Es ist ein schöner Anblick.
Jahrelang habe ich ein bei der „University of Tecturers“ ein Fernstudium betrieben um mich auf diesen Tag vorzubereiten. Ich bin der Beste den sie kriegen konnten. Ich werde heute meinem Land Ehre erweisen. Auf dieser Veranstaltung, die im ganzen Land, ja in der ganzen Welt zu sehen sein wird.
Ich bin schon lange wach. Wenn ich
ehrlich bin habe ich überhaupt nicht geschlafen heute Nacht. Und
nachdem ich auch wusste wie streng die Sicherheitsvorkehrungen an
diesem Tag sein werden, habe ich mich auch sehr früh auf den Weg zum
Stadion gemacht. Meine Frau und meine Kinder haben noch geschlafen.
Sie werden die Übertragung später im Fernsehen ansehen.
Ich
habe nicht gefrühstückt. Ich wollte niemanden wecken.
Ich kann
mich nicht setzen. Die Stühle sind alle mit Prominenten und
wichtigen Namen versehen.
Immer wieder entdecke ich ein mir
bekanntes Gesicht. Schon oft habe ich bei wichtigen Anlässen
gedolmetscht, aber das heute schlägt alles.
Vor 5 Tagen starb
Nelson Mandela, heute wird sich die Welt von ihm verabschieden. Und
ich werde derjenige sein, der die Nachricht in die Welt trägt.
Über die Stadionlautsprecher wird
durchgesagt das Barack Obama im Stadion angekommen ist.
Die Menge
rastet förmlich auch. Der schwarze amerikanische Präsident, ist für
uns alle die große Hoffnung. Das sich vielleicht doch noch irgendwas
in unserer Welt verändern wird.
Das Geschrei und die Gesänge
sind ohrenbetäubend. In diesem Moment wünschte ich mir selbst ich
wäre taub. Meine Kehle zumindest ist staubtrocken.
Ich verstehe
nicht warum ich nichts zu trinken bekomme. Nur weil ich nicht
rede?
Und nun setzte der Regen ein. Eigentlich hatte es seit
Tagen nicht aufgehört zu regnen. Ein Zeichen das auch der Himmel
trauert. Die Menschen in den Rängen spannen ihre Schirme auf.
Nun
werden meine Schweißflecken sicherlich niemanden mehr
auffallen.
Soviele Menschen sind gekommen. Staatsmenschen aus der
ganzen Welt.
In ganz Johannisburg gibt es kein einziges freies
Hotelzimmer mehr.
Alles musste sehr schnell gehen. Ein Freund hat
mir erzählt, das er Gäste aus seinem Hotel werfen hat lassen, damit
er Platz für den deutschen Bundespräsidenten hatte. Ich habe mir
seinen Namen nicht gemerkt.
Ich muss mich nun auf meine Aufgabe
konzentrieren. Das was von mir erwartet wird.
Ich werde heute
alle Reden der wichtigsten Menschen der Welt und die der Angehörigen
von Nelson Mandela in die Welt übersetzen.
Gebärdensprache ist
wenn man so will die universellste Sprache die es gibt.
Eine
Sprache die, die Welt vereint. Gehörlosen Menschen ist es möglich
diese Sprache zu verstehen. Egal ob sie aus China, Amerika oder
Afrika stammen.
Das hat mich damals auch dazu bewogen, meinen
Abschluss in Gebärdensprache zu machen.
Ich war bereits längere
Zeit Übersetzer für englisch. Aber das war mir nicht genug.
Ich
wollte eine Sprache die alle verstehen konnten. An der Komani Schule
lernte ich diese Sprache zu sprechen und zu verstehen. Ich wurde auf
viele Feste als Dolmetscher eingeladen.
Der Regen wird
immer stärker und in die Blasinstrumente der Kapelle fliesst das
Wasser. Garnicht so einfach einen Schirm und eine Tuba gleichzeitig
zu halten.
Die Nationalhymne verklingt und die Trauerfeier hat
nun offiziell begonnen.
Obwohl noch längst nicht alle Gäste im
Sttadion angekomen sind. Aber Obama, Obama ist da.
Unser Präsident
ergreift das Wort.
„Mandela hat sich Regen gewünscht. Den Regen
bedeutet das du willkommen im Himmel bist“
Der Jubel der Gäste
ist dieses Mal so laut, das es mir beinahe schwarz vor Augen
wird.
Ich versuche mich auf die weiteren Worte unseres
Präsidenten zu konzentrieren.
Aber es ist so laut. Ich verstehe
ihn nicht richtig. Aber ich kenne die Sprache die ich spreche.
Ich
habe schon so viel Erfahrung und ich werde das einzig entscheidende
in diesem Moment machen.
Ich werde den Menschen Mut machen mit
meinen Worten. Mit meinen Zeichen. Die Zeichen die mir der Engel in
den oberen Rängen zu verstehen gibt.
Wir alle beten
gemeinsam. Wir alle singen gemeinsam. Der Regen wird immer heftiger.
Und auf einmal ist das zuvor gewesene, als wäre es nur eine Art
Aufwärmtraining gewesen.
Barack Obama betritt die Bühne und ab
diesem Moment bin ich taub.
Zuerst veröffentlich bei Eisenbart und Meisendraht
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